Womit wir aufhören sollten

Es ist wohl eine der menschlichsten Verhaltensweisen ständig in einer Art von Bewertung oder sogar Verurteilung seiner Umwelt zu sein. Es mag kurzzeitig befriedigend sein, ins Urteilen über andere zu gehen, um Dampf abzulassen. Die Frage ist allerdings, wie gut uns diese Beurteilung langfristig tut.

Ich stelle immer wieder fest, dass die Personen, die besonders hart mit anderen ins Gericht gehen, dies auch mit sich tun. Das heißt, die Art, wie wir anderen begegnen, wie reflektiert wir dies tun oder wie be- oder verurteilend wir es tun, zeigt auch, wie wir mit uns umgehen. Es ist also absolut sinnvoll und auch selbstliebend damit zu beginnen, weniger zu urteilen, weniger hart mit anderen und am Ende des Tages dann ebenfalls mit sich zu sein.

In diesem Blog Post möchte ich dir drei Verhaltensweisen näherbringen, von denen ich denke, dass wir sie alle ablegen dürfen, weil sie weder für uns noch für andere förderlich oder (selbst)liebend sind.

Inkonsistenzen suchen

Mir fällt immer wieder auf, wie Menschen, wenn sie über andere sprechen, aber auch in der Diskussion mit anderen, nach Inkonsistenzen suchen. Jetzt mögen die einen oder anderen sagen, dass es der Kern von Diskussionen ist, dem/der Anderen irgendwie aufzuzeigen, wieso er/sie falsch liegt. Ich denke, dem muss nicht so sein. Natürlich möchte man in einer Diskussion damit überzeugen, dass man selbst richtig liegt. Muss das allerdings bedeuten, dass wir dem/der Anderen vermeintliche Widersprüche oder Inkonsistenzen vorwerfen müssen?

Mehr zum Thema “Inkonsistenzen”.

Was ich damit meine, ist, müssen wir einem Christen, der nicht vergeben kann, vorwerfen, dass man als guter Christ doch auch vergeben müsste?

Oder müssen wir bei einer Veganerin nach etwas suchen, wo diese Person eben nicht vegan lebt oder unserer Meinung nach in Bezug auf den Veganismus nicht perfekt ist?

Müssen wir bei der Feministin/dem Feministen danach suchen, wo diese Person sich vermeintlich nicht feministisch verhält?

Ich finde, diese Verhaltensweisen dürfen wir hinter uns lassen. Denn zum einen bringen sie uns nicht weiter und zum anderen ignorieren sie den Fakt, dass wir alle Menschen sind und Fehler und Schwächen haben, aber vor allem keine Menschen nach dem Katalog sind.

Ich bin Feministin und trotzdem liebe ich HipHop und Rap. Und jeder Person ist wohl bewusst, wie sexistisch diese Texte sind. Und das nervt mich. Deswegen ist es für mich meist das Allerbeste die Texte zu überhören oder weibliche Rap zu hören. Nichts desto trotz liebe ich diese Musikrichtung. Bin ich deswegen weniger feministisch oder weniger wert als Mensch? Ganz sicher nicht.

Ich bin Veganerin und ich trage Lederschuhe. Es sind keine neuen, es sind alte, aber ich habe mich dazu entschieden, sie weiter zu tragen. Personen, die nur nach Fehlern bei mir suchen würden, würden genau das kritisieren können. Warum würden sie das überhaupt kritisieren? Vielleicht um davon abzulenken, dass sie selbst in Sachen Tierschutz und Umweltschutz wenig bis gar nichts beitragen.

Können wir nicht anfangen, andere Menschen Mensch sein zu lassen und ihnen erlauben, dass sie der Definition eines Christen, einer Veganerin, eines Feministen, was auch immer für einer Definition, die wir im Kopf haben, nicht entsprechen müssen. Am Ende des Tages sind es oft auch unsere Definitionen, die wir anderen aufdrücken. In den allermeisten Fällen, ich würde sogar sagen eigentlich immer, fehlen uns Hintergrundinformationen und kennen wir nicht die Sicht aller, um ein Urteil zu fällen.

Außerdem, wieso können wir nicht einfach jemanden, der „A“ getan hat, einfach „X“ machen lassen, statt ihm oder ihr vorzuwerfen, er/sie hätte „B“ tun müssen?

Lassen wir es doch ganz. Lassen wir unsere Mitmenschen doch, wie sie sind. Lasst uns aufhören mit der Suche nach Fehlern, die den von uns gemachten Definition nicht entsprechen, sondern überzeugen einfach mit unseren guten Argumenten.

Schönheit vom Alter abhängig machen

Immer wieder fällt mir auf, wie Schönheit vom Alter abhängig gemacht wird. Selbst als ich noch Anfang 20 war, habe ich es nicht verstanden. Da werden Sprüche rausgehauen, wie „Männer werden besser mit dem Alter“, „ Frauen altern nicht so gut wie Männer“ oder „Die Frau sieht gut aus für ihr Alter“.

Ich habe nie verstanden, wieso man Schönheit vom Alter abhängig machen muss. Grundsätzlich finde ich sowieso, dass in jeder Person Schönheit liegt. Aber davon mal ganz abgesehen, wieso muss Alter überhaupt einen Einfluss auf unsere Wahrnehmung von dem, was wir als schön empfinden, nehmen.

Ich finde ebenfalls, dass es kein Kompliment ist, wenn zu einer Person gesagt wird: „Du siehst gut aus für eine 50-Jährige“ oder „Du siehst gut aus für eine 70-Jährige“. Wieso können wir Menschen nicht anschauen und die Schönheit in ihnen entdecken, ohne einen Zusatz daran zuhängen. Wieso müssen wir eine 20-jährige Frau mit einer 70-jährigen Frau vergleichen oder einen 30-jährigen Mann mit einem 80 jährigen Mann. Wieso können wir nicht einfach die Schönheit, in dem was ist, entdecken, ohne zu vergleichen?

Wieso können wir nicht einfach sagen: Du bist schön. Punkt.

Denn Schönheit ist nicht abhängig vom Alter und wir müssen auch niemandem das Gefühl geben, er/sie war einmal schöner, weil die Person jünger war oder weniger Falten hatte. Schönheit ist doch so viel mehr als, ob ich Falten oder Pickel oder eben nicht habe.

Lasst uns doch Schönheit als etwas sehen, dass unabhängig von all dem ist und auch nicht verglichen werden muss.

Besonderheiten als etwas Komisches ansehen

Immer wieder fällt mir auf, wie mit Blick auf andere Nationen beurteilt wird, wie komisch diese sich doch verhalten. Dieses Verhalten ist mir auf globaler Ebene ein Rätsel, denn wenn man mal darüber nachdenkt, ist doch alles eine Frage der Perspektive.

Wir wurden in einem Land sozialisiert, das uns durch das Vorleben vorgibt, was wir als normal empfinden. Für uns ist es normal, vor dem Essen einen „Guten Appetit“ oder in der Schweiz „En Guete“ zu wünschen. Während man in anderen Ländern dies nicht macht. Das bedeutet nicht, dass diese Menschen unhöflicher sind.

Es bedeutet ebenso nicht, dass alles, was von dem abweicht, was wir als unsere Normalität kennengelernt haben, unnormal oder falsch ist. Wir empfinden Dinge doch nur deshalb als komisch, weil wir nicht von Kindesbein an gelernt haben, dass sie irgendwo die Normalität widerspiegeln.

Wie wäre es, wenn wir das Verhalten, das wir vorher als komisch angesehen haben, nicht verurteilen, sondern im besten Fall die Schönheit darin erkennen. Oder zumindest anderen erlauben, anders zu sein und nicht unsere Sichtweise als das Nonplusultra anzusehen. Denn das ist sie nicht. Es ist eine Sichtweise von vielen und das hilft, sich immer wieder daran zu erinnern, dass es nicht eine richtige Sichtweise oder Verhaltensweise gibt.

Mein Anliegen ist, dass wir alle unseren Geist und unser Herz etwas mehr für die Andersartigkeit unserer Mitmenschen öffnen, die Schönheit darin entdecken und vor allem erkennen, dass es nur anders für uns ist, weil wir nicht gelernt haben, dass es irgendwo normal ist.

Mein Anliegen ist, dass wir in der Andersartigkeit anderer, ihrer Normalität, Inspiration finden und daraus für uns lernen.

Meiner Meinung nach ist es ein Geschenk der Globalisierung, dass wir immer wieder mit anderen Kulturen konfrontiert werden, von ihnen lernen und sie annehmen dürfen, wenn wir es denn wollen.

In Polen gibt es zu Weihnachten die Tradition am Weihnachtstisch einen Platz für eine Person einzudecken, die überraschend zu Besuch kommen könnte. Sollte ich irgendwann einmal meine eigene kleine Familie haben, würde ich diese Tradition übernehmen wollen. Wieso auch nicht?

Ich finde, es ist eine unglaublich schöne Tradition, die für mich sinnbildlich für Offenheit steht.

Was ich mit diesem Blogpost sagen möchte, ist, lasst uns offen sein, für die Andersartigkeit anderer.

Lasst uns offen sein, für Schönheit mit den unterschiedlichsten Facetten. Lasst uns offen sein dafür, dass Menschen menschlich sind und keiner Definition entsprechen müssen.

Lasst uns, offen sein, lasst uns, weniger urteilen, lasst uns, anderen mit offenem Herzen und offenen Geist begegnen.

Am Ende des Tages für die Offenheit und die Milde anderen gegenüber zu mehr Liebe und Verständnis und selbst gegenüber.

Welche Verhaltensweisen würdest du gerne verändern oder welche Verhaltensweisen würdest du gerne in der Welt verändert sehen?

Viel Liebe für dich,

Deine Anna