Du bist genug

Ich habe schon in anderen Blogposts betont, wie wichtig ich es finde, dass wir gut mit uns umgehen und gnädig mit uns sind. Heute möchte ich noch genauer auf das Thema eingehen und diesen Post direkt mit einer Frage an dich starten:

 

Denkst du, du bist genug?

Immer?


Ich hatte lange Zeit eine sehr kritische Meinung mir selbst gegenüber – eine überkritische Meinung sogar. Ich erwartete von mir Perfektion in allen Belangen. Was natürlich unerreichbar ist.

Ich habe meine Andersartigkeit kritisch beäugt, von meiner Nationalität angefangen bis hin zu meiner Leidenschaft, wenn ich über die Dinge spreche, die mich begeistern. Das obwohl ich Andersartigkeit eigentlich cool finde.


Gut genug trotz anderer Nationalität?

Bleiben wir beim Beispiel der Nationalität.

Meine Nationalität wurde mir plötzlich so richtig deutlich, als ich vor 10 Jahren in die Schweiz zog. Bis dahin hatte ich in Deutschland gelebt und daher meine Nationalität nie wirklich hinterfragt. Das änderte sich nach meinem Umzug. Neben mir wanderten auch andere Deutsche in die Schweiz aus, ein Fakt, der nicht von allen Schweizerinnen und Schweizern besonders geschätzt wurde.

Versteht mich nicht falsch, von den allermeisten wurde ich herzlich aufgenommen und freundlich behandelt und schon immer bestand mein freundschaftliches Umfeld hier vor allem aus Schweizerinnen und Schweizern. Aber wir Menschen konzentrieren uns ja leider statt auf die 99 positiven Stimmen, auf die eine negative. Ich bleibe kurz bei diesem altbewährten Vorgehen. 😉

Beim Feiern gehen, bekam ich beispielsweise, wenn auch sehr sehr selten, blöde Sprüche aufgrund meiner Nationalität zu hören. Für mich, als damals junges Mädel, mit zarten 20 Jahren, und einem eher geringen Selbstwert, war das zu viel, was andere wahrscheinlich nicht im Geringsten berührt hätte. Mich leider schon.

Mich beschäftigten solche Sprüche und die Anti-Haltung sehr, die manche, Deutschen gegenüber hatten. Ich gelangte irgendwann an den Punkt, dass ich dachte, ich sei weniger wert, weil ich Deutsche und nicht Schweizerin bin. Was natürlich absoluter Quatsch ist.

 

Keine Nation ist besser oder schlechter als eine andere.

Wir sind genug. Jede und jeder von uns ist genug.

 

Ich hätte traurig darüber sein können, dass nicht jeder Schweizer freudig erregt über deutsche Einwanderer war. Die Frage, ist in diesem Zusammenhang allerdings auch, ob alle Deutschen happy über «Ausländer» sind, wohl eher nicht. Leider.

Nun gut, ich wollte mich nicht an diesem Umstand aufhängen, ich wollte für mich das Beste aus der Situation ziehen und das tat ich auch.

Heute bin ich sogar dankbar dafür, dass ich die Erfahrung, «Ausländerin» zu sein, machen darf und bin der Überzeugung, dass jeder/ jede diese Erfahrung machen sollte. Denn sie hat in mir noch mehr die Ansicht bestärkt, dass wir niemanden aufgrund seiner Andersartigkeit, egal ob in Bezug auf die Nationalität, das Geschlecht, die Hautfarbe oder was auch immer, ausgrenzen sollten. Viel mehr sollten wir seine Andersartigkeit feiern und uns fragen, was wir von der betreffenden Person lernen können. Es wäre doch langweilig und null inspirierend, wenn wir alle gleich wären.

 

Wir dürfen unsere und die Andersartigkeit anderer, schätzen lernen.

 

Eine Frage der Perspektive

Und um beim «Ausländer»-Beispiel zu bleiben. Wer «Ausländer» ist und wer nicht und wer als andersartig betrachtet wird, ist doch immer eine Frage der Perspektive, das sollten wir im Hinterkopf behalten.

Uns eint, denke ich, dass wir alle angenommen, akzeptiert und respektiert werden wollen, so wie wir sind. Niemand möchte wegen seiner Nationalität, die er sich nicht mal selber ausgesucht hat, abgelehnt werden. Der Deutsche in der Schweiz ist genauso fremd, wie die Schweizerin in Deutschland und anstatt sie dafür zu verurteilen, könnte wir uns daran erinnern, dass die Definition von «fremd» sehr variabel ist. Denn der Deutsche oder die Schweizerin sind ganz normale Menschen, erst im Kontext eines anderen Landes werden sie als fremd oder anders wahrgenommen.

Was nicht heisst, dass wir uns nicht auch integrieren sollten. Ich denke, Integration ist sehr wichtig, um sich in einem anderen Land oder einer neuen Gruppe wohlzufühlen, wir sollte uns dabei allerdings nicht selber aufgeben oder verlieren.


Wir sollten niemandem das Gefühl geben, er sei ein schlechterer Mensch, weil er eine andere Nationalität hat.

Auch nicht uns selber. (Note an mein jüngeres Ich ;) )

 

Wir sind schon genug – mit all unseren Ecken und Kanten

Mir fällt immer wieder auf, wie unfreundlich wir eigentlich mit uns selbst sind. Wir gestehen uns keine Fehler zu und sind übertrieben kritisch uns selbst gegenüber. Mit keinem anderen Menschen in unserem Leben würden wir wahrscheinlich so umgehen, wie wir es mit uns selbst tun.


Aber Überraschung, wir sind keine Roboter, wir machen Fehler, wir verstehen manchmal Dinge nicht auf Anhieb, wir sind nicht perfekt. Und das ist auch völlig okay so.


Wir sollten anfangen, uns in unserer Imperfektion anzunehmen und freundlich mit uns zu sein. Wir dürfen uns so behandeln, wie wir auch unsere beste Freundin behandeln würden und die würden wir ja auch nicht verurteilen, nur weil sie mal einen Fehler gemacht hat.


Wenn du dich nicht gut behandelst, wer denn dann?

 

Den Ist-Zustand annehmen lernen

 Ich beschäftige mich von Herzen gerne mit Persönlichkeitsentwicklung, ich liebe es mich weiterzuentwickeln, Neues zu lernen und besser zu werden.

Jetzt könnte man sich fragen:

«Aber, Anna, wenn du doch der Meinung bist, dass wir alle schon genug sind, warum arbeitest du dann an deiner Weiterentwicklung?»

Eine berechtigte Frage.

Ich denke, der Wunsch, sich weiterzuentwickeln kommt im besten Fall, nicht aus einem Selbsthass heraus, sondern, im Gegenteil aus einem Wunsch heraus, noch mehr bei sich anzukommen und noch zufriedener zu werden.

Ich kann 30kg abnehmen, weil ich mich selbst verabscheue und damit aus einem Selbsthass heraus agieren. Ich kann mich aber auch selber lieben und schätzen und abnehmen, weil ich weiss, dass es für meine Gesundheit und mein Wohlbefinden besser wäre.

Der Unterschied ist die Motivation, aber auch die Ablehnung oder die Annahme des Ist-Zustands. Wer den Ist-Zustand ablehnt, handelt aus einem Selbsthass heraus und ist nicht im Frieden mit sich. Wer sich annimmt, ist hingegen im Frieden mit sich und verändert etwas aus Liebe zu sich selbst.

Ich bin der Überzeugung, dass es unglaublich wichtig ist, den eigenen Ist-Zustand anzunehmen. Das heisst nicht, dass wir in diesem verharren müssen, aber dass wir okay mit dem sind, wie es gerade ist.

 

Denn du bist genug, so wie du bist.

Du bist genug, auch wenn du eine Prüfung verhauen hast.

Du bist genug, auch wenn du gerade schlechte Haut hast.

Du bist genug, auch wenn du gerade keinen Job hast,

Du bist genug, auch wenn du gerade mehr wiegst als dein übliches Wohlfühlgewicht.

Du bist genug.

 

Wir sollten uns deswegen von Gedankengängen, wie:

 

«Wenn ich diesen und jenen Abschluss erreicht habe, dann bin ich glücklich»

Oder

 «Erst, wenn ich xy Kilo abgenommen habe, bin ich glücklich»

 

verabschieden, denn sie sind alles andere als selbstliebend und auch nicht besonders motivierend, wenn ihr mich fragt.

Weiterentwicklung ist super, aber sie ist sozusagen die «Cherry on top». Wir dürfen heute schon glücklich sein und Dankbarkeit für den Ist-Zustand empfinden. Denn du bist jetzt schon genug, genauso wir du heute bist. Und aus diesem wunderbaren Ort des Friedens und der Selbstannahme heraus, kannst du dich weiterentwickeln, um noch mehr zu deinem wahren Kern vorzudringen.

Wie eine Raupe, die langsam zum Schmetterling wird. Man würde einer Raupe ja auch niemals vorwerfen, sie sei falsch, so wie sie ist, weil sie (jetzt noch) kein Schmetterling ist. Alles braucht seine Zeit und, um ein Schmetterling werden zu können, muss man halt erst einmal eine Raupe gewesen sein.


Das Motto lautet also: Schritt für Schritt.


Ich denke, sich weiterzuentwickeln und an sich zu arbeiten, ist definitiv bedeutend, aber wir sind jetzt schon genug, wir sind jetzt schon wer. Wir dürfen auch einfach nur sein, wir müssen nichts erschaffen oder uns verbessern, um wir, um Mensch zu sein.

Ein Vogel ist ja auch ein Vogel, auch wenn er gerade nicht fliegt.

 

Du = Geschenk

Du bist ein Geschenk, du machst einen Unterschied oder um es mit einer Song-Zeile von Samy Deluxe zu sagen:

«Unsere Eltern haben keinen hier umsonst gemacht» (Song: «Musik um durch den Tag zu komm»)

Jeder/jede von uns ist hier, weil wir alle einen «Job» auf diesem Planeten zu erfüllen haben:

Wir dürfen wir sein, immer mehr zu unserem wahren Ich, das wir versteckt, unterdrückt oder nie zuvor entdeckt haben, vordringen und wir dürfen die Welt verändern, sie zu einem besseren Ort machen. Ein ziemlich bedeutender Job, wenn du mich fragst. Der wohl wichtigste Job in unserem Leben.


Sieh es, wie es ist: Du bist genug


Wir sollten uns so oft es geht daran erinnern, dass wir genug sind, denn die Stimmen in uns, die etwas anderes behaupten, sind manchmal ziemlich beharrlich. Das Schöne ist, je mehr wir erkennen, dass wir genug sind, desto mehr erkennen wir, dass andere Menschen auch genug sind.

 

Niemand ist ungenügend.

Wir dürfen alle ans uns arbeiten, aber das heisst nicht, dass wir jetzt nicht genug sind.

Es heisst nur, dass eine weitere Entwicklungsstufe unseres Seins auf uns wartet.

 

Um noch mehr verinnerlichen zu können, dass du genug bist, möchte ich dir eine kleine Übung ans Herz legen.

Ich empfehle dir, damit anzufangen, dir jeden Abend vor dem Schlafen 10 Dinge zu überlegen, die du am jeweiligen Tag, gut gemacht hast. Das kann alles sein, die kleinste Kleinigkeit, aber auch das grösste Ding. Vom Kaffee, den du an dem Tag, so super hinbekommen hast, über das leckere Essen, das du gekocht hast oder das stylische Outfit, das du so gut zusammengestellt hast bis hin zu dem Top-Vortrag, den du gehalten hast oder der Matheprüfung, die du bestanden hast.

Deiner Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Du kannst dich auch dafür loben, dass du doch noch gesund für dich gekocht hast, obwohl dir eigentlich nach Tiefkühlpizza war. You do you.

Je öfter du diese Übung machst, desto besser wirst du erkennen, was ich jetzt schon von dir weiss:

 

Du bist genug. Du bist sogar mehr als genug.

 

Wie sind deine Erfahrungen zu dem Thema? Kannst du dich heute schon annehmen und empfindest du dich als genug oder arbeitest du noch daran, diesen Frieden zu finden?

 

Ich bin gespannt, auf deine Ansichten. Lass sie mich gerne in den Kommentaren wissen.

 

Alles Liebe,

Deine Anna